Unsere Lesetipps – November 2024

Tipp von Christine Burlet, Leitung Mediothek
«Wendeschleife» von Regula Portillo

Anna arbeitet in Bern in einem Alterspflegeheim, reist gern und stellt anderen Reisenden regelmässig ihr Sofa als Übernachtungsgelegenheit zur Verfügung. Eines Tages kehrt einer ihrer Gäste, ein junger US-Amerikaner, von einem Ausflug nach Zermatt nicht mehr zurück. Obwohl sich die beiden nur kurz kannten, werfen die folgenden Monate der Suche für Anna existentielle Fragen auf. Es sind Fragen, denen sie auch bei ihrer Arbeit immer wieder begegnet. Was macht ein erfülltes Leben und würdevolles Sterben aus?

Der nachdenkliche Roman umspannt ein paar Monate in einem Leben wie deins und meins. Ganz ohne blutbrünstige Dramen, lebensumkrempelnde Liebe, Magie oder Feenstaub erzählt Regula Portillo von Verbundenheit, Trauer und Freundschaft. Mit den lebensnahen, sympathischen Figuren ergibt das ein versöhnlicher und eindringlicher Roman, der noch lange in meinen Gedanken mitschwang.
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Tipp von Lilian Reichmuth, Ausleihteam 
«Mattanza» von Germana Fabiano 

Katria, eine kleine Insel vor Sizilien lebte viele Jahrhunderte ausschliesslich vom Thunfischfang, Mattanza genannt. Ab März ziehen die Thunfischschwärme durch die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer, um ihre Laichgründe aufzusuchen.  Der Fang erfolgt einmal im Jahr nach genau festgelegten Regeln.  Der Führer, Rais genannt, trägt die Verantwortung für den erfolgreichen Fischfang. Nora wird bereits bei Geburt als erste Frau zum Rais ernannt, sie hat keine Wahl! Ihr erster Fischfang in dieser Männerdomäne wird zum Erfolg. Trotzdem kann dies als erstes Zeichen gewertet werden für die grossen Veränderungen, die auf die Insel zukommen.  Es kommen die ersten Touristen, die das kompakte Gefüge auf der Insel stören. Japanische Schleppkähne werden zur grossen Konkurrenz, die Inselbewohner gehen leer aus. Es kommt noch schlimmer. Anstelle von Fischen stranden Flüchtlinge auf der Insel, zuerst vereinzelt, dann immer zahlreicher. «Mattanza» ist eine unglaubliche Zeitgeschichte, sehr bildstark erzählt, ohne etwas zu beschönigen, und trotzdem mit Humor und sehr viel Feingefühl für die Menschen dieser Insel.
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Jugendbuch-Tipp von Magdalena Forno, Nutzerin Mediothek Lachen (9 Jahre)
“Worst Week Ever!” – Comic-Romanreihe von Eva Amores und Matt Cosgrove

Habt ihr alle von Gregs Tagebüchern schon durch? Dann wird es Zeit, dass ihr Justin Chase kennenlernt! Nein, nicht den Popstar, sondern den Jungen, der in dieser Comic-Romanreihe seine schlimmste und verrückteste (und für uns die witzigste) Woche überhaupt erlebt. Die vielen Bilder im Buch sind megalustig und der wenige Text hat es in sich. Ich sage nur „Code Braun“ im Schwimmbad…
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Tipp von Christine Burlet, Leitung Mediothek
«Fragen hätte ich noch. Geschichten von unseren Grosseltern» von Wolfram Schneider-Lastin (Herausgeber)

Dreissig Autorinnen und Autoren aus dem deutschen Sprachraum erzählen in je einem Kapitel vom Leben ihrer Grossväter und Grossmütter. Aus der Schweiz sind u.A. Zora del Buono, Alex Capus und Hans-Peter Müller-Drossaart dabei. Immer aus dem Blickwinkel der Enkel erzählt, ist eine Sammlung ungewöhnlicher und persönlicher Geschichten entstanden, die gerade in ihrer Alltäglichkeit unter die Haut gehen. Es geht heiter zu und her oder bitter, philosophisch oder nostalgisch. Fast immer sind Faschismus und der zweite Weltkrieg präsent und so ruft uns das Buch auch in Erinnerung, dass dieses grosse Verhängnis erst zwei Generationen her ist. «Fragen hätte ich noch» ist ein Buch, aus dem man immer mal wieder ein Kapitel lesen kann, und das sich wunderbar unter den Weihnachtsbaum legen lässt.
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Tipp von Heike Kuhn, Ausleihteam 
«Blutbusse» von Viveca Sten (3. Teil der Hanna-Ahlander-Reihe)

Nichts für schwache Nerven! Blutbusse ist der dritte Teil der spannenden Schweden-Krimireihe von Viveca Sten um die Ermittlerin Hanna Ahlander. Schon die ersten beiden Bücher der Reihe, „Kalt und Still“ sowie „Tief im Schatten“ sind für mich die perfekte Lektüre für die dunkle Jahreszeit, um sich bei einem Heissgetränk unter einer Decke einzukuscheln und sich von der Autorin in menschliche Abgründe im kalten Åre entführen zu lassen. Die Charaktere sind gut herausgearbeitet, und die Spannung steigt in jedem der drei Bücher kontinuierlich. Also immer aufpassen, dass man es sich gemütlich macht, bevor man zu lesen beginnt – einmal angefangen, kann man nämlich nicht mehr aufhören!
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Tipp von Christine Burlet, Leitung Mediothek
 «Juli August September» von Olga Grjasnowa

Juli: Die fünfjährige Rosa erzählt ihrer Mutter, bei einer Freundin hätten sie ein Buch von Adolf Hitler gelesen. Der habe was gegen Jungen gehabt. Fassungslos fährt Lou in die Buchhandlung und findet das Buch sofort: eine Comicadaption von Anne Frank, mit «unterkomplexer Prosa» und einem KZ, das auch ein Sanatorium hätte sein können. Lou lebt mit Rosa und Ehemann Sergej, einem Konzertpianisten und wahren Trophäe, wie selbst ihre Mutter zugeben muss, ein säkulares Leben in Berlin. Die Frage, ob die Tochter denn nicht irgendeine Identität brauche, lacht Sergej weg: «Juden haben keine Wurzeln, Juden haben Beine.»

August: Um herauszufinden, ob da nicht doch Wurzeln sind (oder vielleicht auch nur, um der kriselnden Ehe eine Weile zu entfliehen) folgt Lou einer Einladung nach Gran Canaria zum 90. Geburtstag ihrer Grosstante. Zynisch und rasant, im Stil einer Urlaubskomödie, werden hier die kleinen Macken und Animositäten des weitverzweigten ex-sowjetischen Clans aus Israel erzählt.

Im September fliegt Lou dann nach Israel, um sich dem Trauma der Grosselterngeneration zuzuwenden. In diesem dritten Teil des Buches geht es deutlich nachdenklicher zu. Das trifft – unter der unruhig brodelnden Oberfläche – im Rückblick auch auf den ganzen Roman zu.
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